Die Soziale Plastik im Kontext von Prozesskunst, Generativer Kunst und Kybernetik
Wenn man Joseph Beuys’ Idee der „Sozialen Plastik“ in die Diskussion über Prozesskunst, Generative Kunst und mögliche kybernetische Systeme einbezieht, stößt man schnell auf eine faszinierende Ergänzung: Während Prozesskunst den Wandel eines Materials inszeniert und Generative Kunst algorithmische Prozesse in den Fokus rückt, geht es bei der Sozialen Plastik darum, dass sich gesellschaftliche Strukturen selbst als formbares „Material“ begreifen lassen. Nicht nur Farbe, Algorithmus oder Eisblock sind das künstlerische Medium, sondern der gesamte soziale Raum – mit seinen Beziehungen, Dialogen und Handlungen.
Beuys verstand darunter einen erweiterten Kunstbegriff: Jeder Mensch ist Künstler, weil jeder Mensch mit seinen Ideen und Aktionen an der Formung der Gesellschaft teilnimmt. In diesem Sinne könnte man sagen, dass eine Soziale Plastik sich auf eine ganz eigene Weise als „Prozesskunst“ entfaltet. Das Besondere: Der Prozess läuft nicht nur in einem Atelier oder in einem Computerprogramm ab, sondern in der lebendigen Interaktion zwischen Menschen, Institutionen und alltäglichen Abläufen. Kommt dann noch ein kybernetischer Aspekt ins Spiel – etwa indem Rückmeldungen aus der Gemeinschaft laufend ins Projekt einfließen und dessen Richtung verändern –, kann man sich Soziale Plastik durchaus als selbstregulierendes System vorstellen. So wie in der Prozesskunst das Material reagiert und sich verwandelt, so reagiert in der Sozialen Plastik die Gesellschaft auf künstlerische Impulse. Man denke an Beuys’ „7000 Eichen“: Das Setzen der Bäume war nur der Startschuss – erst über Zeit und durch das Mitwirken zahlreicher Menschen entfaltete sich ein wachsendes, gesellschaftlich spürbares Werk.
Die Ästhetik der Sozialen Plastik liegt damit nicht in einer fertigen Skulptur, sondern in der kontinuierlichen Vernetzung von Ideen und Taten. Sie kann, wie die Prozesskunst, auf organische Weise Veränderungen zeigen, und sie kann, ähnlich der Generativen Kunst, regelgeleitet sein, wenn bestimmte Abläufe oder Vereinbarungen zugrunde liegen. Entscheidend ist, dass das Werk seine Form aus dem Miteinander bezieht und so eine lebendige, im besten Sinne unvorhersehbare Dynamik entwickelt. Genau das macht die Soziale Plastik zu einer spannenden Erweiterung in der Schnittmenge aus Kunst, Gesellschaft und kybernetischem Denken: Sie knüpft Feedback-Schleifen nicht nur an physische oder digitale Prozesse, sondern vor allem an menschliche Interaktion – und verwandelt so die gesamte Gesellschaft in ein offenes Kunstfeld.