RADIOTOPIA
Prozesskunst und Generative Kunst auf dem Prüfstand: Ein Blick in die Welt der kybernetischen Kunst
Was ist die Soziale Plastik im Kontext von Prozesskunst, Generativer Kunst und Kybernetik
Unsere Veranstaltungen:
2024 Radiotopia in Paris La General
2022 Radiotopia at anual show in Stadtwerkstatt Linz: STWST48x8
2022 Radiotopia in Hamburg at MS Stubnitz: Radiotopia Stubnitz 2022
2021 Radiotopia at Eleonore STWST48x7
Kontexte
2024- tägliche Sendungen Infolab Bakensender
2012 Bakensender 2012
1993 Kinetische Skulpturen im Mhz-Bereich Fernsehen der 3. Art
1993 Stadtwerkstatt Medienkontext: 1993 ARGE Freie Frequenzen - Offene Kanäle
Der elektromagnetische Raum als Erweiterung des Skulpturenbegriffs
Wenn wir an Skulpturen denken, stellen wir uns meist räumliche Objekte vor, die wir visuell oder haptisch erfahren können. Doch mit der Einbeziehung des elektromagnetischen Raums öffnet sich ein Feld, in dem unser klassisches Verständnis von „Materialität“ und „Form“ infrage gestellt wird. Schwingungen, Wellen und Felder werden zum künstlerischen Medium – sie sind zwar unsichtbar, haben aber durchaus eine physische Präsenz und lassen sich messen, verändern und manchmal auch sinnlich erfahrbar machen.
Kinetische Skulptur: Von Schwingung zum Objekt
Ein Prozess, der die Schwingungen eines elektromagnetischen Feldes sichtbar oder hörbar macht, könnte man sich als eine Art „dynamische Skulptur“ vorstellen – ein Kunstwerk, das seine „Form“ nicht in einem festen Volumen findet, sondern in einer permanenten Wechselwirkung zwischen Strahlungsfeldern, elektrischen Impulsen und räumlicher Resonanz. Anders als bei herkömmlichen Skulpturen ließe sich hier keine statische Form definieren; vielmehr würde sich das Werk kontinuierlich durch wechselnde äußere Einflüsse (Temperatur, Feuchtigkeit, Bewegungen im Raum oder Interaktion mit Besuchern) und innere Parameter (Frequenz, Amplitude, Signalstärke) verändern.
Prozesshaftigkeit und kybernetische Ansätze
In einem solchen Konzept verschmelzen Prozesskunst und kybernetische Kunst förmlich miteinander. Ein elektromagnetisches Feld, das als „Skulptur“ definiert wird, könnte etwa über Sensoren und Rückkopplungsschleifen reguliert und moduliert werden: Es empfängt Signale aus der Umgebung und verändert daraufhin seine eigenen Parameter, was wiederum messbar oder sogar sinnlich erfahrbar wird – etwa durch Klang, Licht oder Vibration. Das Publikum betrachtet nicht einfach eine statische Skulptur, sondern einen sich stetig verändernden Prozess, dessen „Gestalt“ sich über Zeit und Interaktion definiert.
Visualisierung und Wahrnehmung
Weil elektromagnetische Felder selbst für das bloße Auge unsichtbar sind, bräuchte es in vielen Fällen eine Übersetzungsstrategie: zum Beispiel werden Radiowellen in Klang umgewandelt, Lichtsignale in projizierte Farbfelder oder elektromagnetische Impulse in vibrierende Oberflächen. Die künstlerische Arbeiten dabei ist den unsichtbaren Raum in eine sicht- oder hörbare Dimension zu überführen, dies macht nicht nur den Skulpturenbegriff weiter, sondern stellt auch unseren Begriff von Präsenz auf den Prüfstand. Anstatt ein festes Material zu gestalten, wird hier ein „Feld“ geformt – und dieses Feld ist dynamisch, schwer zu greifen da weil es auf subtilen Ebenen mit uns und unserer Umgebung interagiert.
Resonanz als Kernidee
Die Idee der Schwingung führt uns auch zum Begriff der Resonanz: Eine elektromagnetische Skulptur könnte so konzipiert sein, dass sie auf die Frequenzen ihrer Umgebung reagiert, vielleicht sogar auf die Körper der Besucher. Damit entstünde ein sinnliches Wechselspiel, bei dem die Grenzen zwischen Kunstwerk und Betrachter verschwimmen und das ästhetische Erlebnis sich aus der unmittelbaren, prozesshaften Bewegung im Feld speist. Gerade in Zeiten, in denen wir verstärkt über unsichtbare Netzwerke wie WLAN, Mobilfunk oder Bluetooth kommunizieren, kann ein solches Kunstwerk auf künstlerisch-poetische Weise reflektieren, wie wir Menschen in einem permanenten Geflecht elektromagnetischer Strahlen leben – oft ohne es bewusst wahrzunehmen.
Man kann die Schwingungen eines elektromagnetischen Felds über eine prozesshafte Bewegung definieren und damit eine neue Form des Skulpturenbegriffs entwickeln. Eine solche „elektromagnetische Skulptur“ ist nicht nur Kunstobjekt, sondern auch offenes System, das seinen Charakter in Abhängigkeit von Ort, Zeit und Interaktion immer wieder neu ausbildet – eine konsequente Weiterführung der Ideen der Prozesskunst und der kybernetischen Kunst im Raum.
Die Antenne als haptische Skulptur: Wenn Wellenlänge und Lichtgeschwindigkeit zum künstlerischen Material werden
Stellen wir uns eine Skulptur vor, die nicht nur aus Bronze oder Stein besteht, sondern deren Form sich nach den Gesetzen der Physik richtet, genauer gesagt nach den Parametern einer Antenne. Dann reden wir von halber Wellenlänge, Lichtgeschwindigkeit und elektromagnetischer Resonanz – alles Faktoren, die normalerweise eher in der Elektrotechnik zu Hause sind als in der Kunst. Doch gerade dadurch entsteht ein neuer Berührungspunkt zwischen Wissenschaft und Ästhetik: Eine solche Antenne könnte als „haptische Skulptur“ dienen, weil ihre physische Form – etwa Länge, Biegung, Durchmesser – nicht beliebig ist, sondern sich aus den Naturgesetzen ableitet, die festlegen, wie elektromagnetische Wellen abgestrahlt und empfangen werden.
Im Grunde ist diese Skulptur ein Interface zwischen uns und einem sonst unsichtbaren Raum. Wenn wir an klassische Skulpturen denken, stellen sie meist eine sichtbare, greifbare Präsenz in einem Ausstellungsraum dar, während elektromagnetische Felder unsichtbar, nicht unmittelbar haptisch sind. Die Antenne jedoch fungiert als Schnittstelle: Sie macht das Unsichtbare potenziell erfahrbar, indem sie Wellen empfängt oder aussendet und damit ein Signal erzeugt, das wiederum in Klang, Bild oder Vibration übersetzt werden kann.
Dass hierbei die halbe Wellenlänge und die Lichtgeschwindigkeit eine Rolle spielen, ist keineswegs ein technisches Detail, das man beiläufig erwähnen könnte – es ist der Schlüssel zum Verständnis der Form. Die Antenne muss in Bezug auf die Frequenzen, mit denen sie arbeitet, exakt dimensioniert sein, um Resonanz zu erzeugen: Wenn die Form zur Frequenz passt, kommt es zu einem maximalen Energieaustausch. Für den Künstler bedeutet das, sich nicht nur formal-ästhetisch, sondern auch wissenschaftlich mit Wellenphänomenen auseinanderzusetzen. Das Ergebnis ist ein Objekt, das zwar skulpturale Qualitäten besitzt – man kann es ansehen, vielleicht sogar berühren – jedoch zugleich in direkten Kontakt mit elektromagnetischen Feldern tritt und so einen Raum eröffnet, den man bislang eher aus dem Bereich der Funktechnik kennt.
Im besten Fall funktioniert diese Form also doppelt: Zum einen als „klassische Skulptur“, die wir im Raum wahrnehmen können, zum anderen als „Sender und Empfänger“ in einem vielschichtigen Netzwerk aus Wellen, Frequenzen und Rückkopplungsschleifen. Damit wird die Antenne zu einem konkreten, greifbaren Interface für etwas, das sonst abstrakt und ungreifbar bliebe. Es ist dieser Spagat – zwischen der sinnlich-ästhetischen Präsenz einer Skulptur und den unsichtbaren Naturgesetzen von Lichtgeschwindigkeit und halber Wellenlänge –, der ein solches Werk so spannend macht.
Man kann sich leicht vorstellen, wie ein Ausstellungsbesucher nicht nur das Objekt selbst betrachtet, sondern vielleicht über Kopfhörer die durch die Antenne empfangenen Signale hört oder eine aufleuchtende Visualisierung der Intensität eines bestimmten Frequenzbereichs sieht. So wird der Raum quasi auf zwei Ebenen erfahrbar: als realer, physischer Ausstellungsraum und als elektromagnetisches Feld, das in ständiger Wechselwirkung mit diesem Objekt steht. Genau diese Doppelschicht – Materie und Wellen, Sichtbares und Unsichtbares – eröffnet eine neuartige Kunsterfahrung, in der der Skulpturenbegriff eine unerwartete Tiefe gewinnt.
Die Antenne als Skulptur stellt damit eine Art Hybrid dar: zugleich technisches Instrument und künstlerisches Objekt, zugleich wissenschaftliches Artefakt und ästhetische Form. Sie macht den unsichtbaren Raum begehbar, begreifbar, oder zumindest „lesbar“. Damit rückt sie die Frage in den Mittelpunkt: Wo endet die Skulptur, wo beginnt das Feld – und ist dieser Übergang nicht längst zu einer einzigen großen Schnittstelle geworden, in der die Gesetze der Physik und die Kreativität des Menschen eine neue, gemeinsame Sprache sprechen?